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OA 학술지
Konfliktfilmanalyse u?ber nordkoreanische Flu?chtlinge 탈북자 소재 분쟁영화 분석
  • 비영리 CC BY-NC
ABSTRACT
Konfliktfilmanalyse u?ber nordkoreanische Flu?chtlinge

불특정 다수의 대중을 대상으로 하는 예술매체인 영화는 동시에 소비매체이기도 한 까닭에 대중의 요구와 특정 사회적 변화에 특히 민감하게 반응할 수밖에 없는 “사회적 생산물”이기도 하다. 이러한 관점에 주목하면 한국영화사와 함께 하나의 고유 장르로 발전해 온 “분쟁영화”가 갖는 중요성과 독특함이 더욱 분명해진다. “분단”이라는 소재는 1950년 한국전쟁 이후부터 현재에 이르기까지 한국영화에서 자주 등장하는 소재로 발전해 왔다. 이처럼 분단이라는 역사적인 상황 속에서 하나의 독립적인 장르로 성장 및 발전한 “분쟁영화”는 사회 각 분야들로부터 영향을 받으며 한국 사회가 분단과 북한사회를 바라보는 시각변화를 민감하게 조명하고 있다. 이 연구에서는 우선 한국의 분단 상황과 북한과의 관계를 다룬 영화들을 분쟁영화로 정의했다. 한국 분쟁영화는 북한과의 정치적 및 사회문화적인 상황변화와 밀접한 연관관계 속에 있기 때문에 한국전쟁 이후 한국영화사의 발전과 함께 성장 및 발전한 영화장르인 분쟁영화는 영화를 제작하고 만드는 감독들의 세대에 따라 직간접적으로 남북분단 상황에 대한 시각과 영화적 묘사가 다양하게 변화해왔다. 이처럼 정치사회적 변화에 민감하게 반응하는 장르라는 점에 주목해 볼 때 전통적인 분쟁영화의 소재였던 남북갈등과 전쟁등의 소재에서 탈피해 2000년도 중 후반부터 북한사회 고발과 탈북자문제가 새로운 분쟁영화의 주요 소재로 떠오른 점은 또 다른 현실투영이라는 점에서 눈길을 끈다. 최근 5년 내에 제작된 한국영화들이 북한과 분단이라는 소재를 다루는 방식이 어떻게 변화했는지를 분석하기 위해 본문에서는 새로운 소재등장에 대한 사회적 원인을 비롯한 2000년대 후반 분쟁영화의 변화에 대해 살펴보았다. 그리고 주요 분석대상으로 선정한 총 5편의 영화를 2000년 후반 이후 분쟁영화의 주요 소재로 떠오른 북한 사회와 탈북이라는 두 개의 주제로 나누어 분석했다. 이들 영화들 속 등장하는 인물들과 주요갈등구조 그리고 장소들을 세부 분석대상으로 선정해 2000년 후반 이후 현실적인 사회문제로 등장한 북한의 생활환경과 북한 탈북자들의 영화 속 표현방식을 살펴보았다.

KEYWORD
Mass piece of art , The South Korean film history , division , Korea War , The Korean conflict films , North Korean refugees , The life conditions in North Korea , CROSSING , WINTER BUTTERFLY , DOOMAN RIVER , THE JOURNALS OF MUSAN , DANCE TOWN
  • 1. Einleitung

    Film ist “eine Art Massenkunstwerk”,1) durch diese Aussage wird deutlich, welche Rolle Konfliktfilme in der südkoreanischen Filmgeschichte spielen. Nach dem Korea Krieg im Jahr 1950 wurde in den Filmen das Thema “Landteilung” häufig aufgegriffen und bis heute oft behandelt. Als eigenständiges Filmgenre entwickelte sich der Konfliktfilm im engen Zusammenhang mit der Landteilungsgeschichte und zeigt immer wieder die Brisanz des Themas in der Gesellschaft und den starken Einfluss auf die verschiedenen Bereiche des Landes.

    In dieser Untersuchung werden die Filme als Konfliktfilme bezeichnet, welche die Spaltung des Landes und die Beziehungen zu Nordkorea thematisieren. Die koreanischen Konfliktfilme stehen im engen Zusammenhang mit dieser politischen Situation und die Darstellung sowie Thematisierung Nordkoreas werden jeweils durch die verschiedenen Generationen der Filmemacher unterschiedlich präsentiert. In den unterschiedlichen Epochen änderte sich die Benennung des Genres mehrfach.2) In dieser Arbeit werden fünf Beispielfilme zur Analyse ausgewählt und analysiert, unter dem Aspekt, wie die aktuellen sozialen Probleme seit Ende 2000 aus der geteilten Landsituation zwischen Südund Nordkorea repräsentiert werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Lebenssituation in Nordkorea und die der nordkoreanischen Flüchtlinge, in südkoreanischen Filmen. Damit wird beleuchtet, wie die filmischen Aspekte Nordkorea und das Land verwandelt haben.

    1)Kroner (1973), S. 26.  2)In den 1950er Jahren ersetzte beispielsweise das Filmgenre Kriegfilm als allgemeine Benennung die Bezeichnung Konfliktfilm. Zu Beginn des Jahres 2000 bezeichnete der Konfliktfilm ein gemischtes Filmgerne, zum Beispiel bei SWIRI und JSA, erst Ende 2000 tendierten sie in Richtung Drama. Weitere Bezeichnungen für Konfliktfilm sind Teilungsfilm und Flüchtlingsfilm.

    2. Besonderheit in dieser Epoche: Filme seit Ende 2000-Vom Nahrungsmangel in Nordkorea zum sozialen Problem in Su?dkorea aus dem Blickwinkel der nordkoreanischen Flu?chtlinge

    Die Bedeutung der Beziehung zwischen Süd- und Nordkorea wurde immer wieder betont, die Annäherungsweise hat sich jedoch insbesondere in Filmen stark verändert. Bisher wurde dieses Thema meist aus südkoreanischer Sicht filmisch dargestellt und hat sich von der subjektiven Bewertung leiten lassen, zum Beispiel in den Filmen SILMIDO 2003 und TAEGUKGI:BROTHERHOOD OF WAR 2004 oder wurde von der Fantasie beeinflusst, wie in den Filmen WELCOME TO DONGMAKGOL 2005 und zahlreichen Komödien. Die Betrachtung Nordkoreas und seiner Gesellschaft entstammte der südkoreanischen Betrachtung und war das Resultat einer bunten Mischung aus Fantasie und Realität. Diese Tendenz war immer abhängig von der jeweiligen Stimmung zwischen beiden Ländern.

    Seit Ende 2000 sind neue Besonderheiten in den Konfliktfilmen erkennbar. In Konfliktfilmen sind die Begriffe “Nordkoreanische Fluchtlinge” seit 2000 in der sudkoreanischen Gesellschaft immer haufiger aufgetaucht. Mit der Veranderung des Betrachtungswinkels auf Nordkorea dehnen die Filme das Thema Nordkorea aus und konzentrieren sich auf die Aspekte ihrer Landsleute: Mit wahrem Hintergrund behandeln die Konfliktfilme in dieser Zeit die aktuellen Lebenssituationen als Hauptinhalt, sie zeigen das, was in Nordkorea tatsachlich passiert. Das Alltagsleben wird mit seinen harten Uberlebensstrategien und die ausweglose Situation der nordkoreanischen Gesellschaft gezeigt, die sich allmahlich dem Absturz nahert. Zudem zeigen sie die nordkoreanischen Fluchtlinge als Hauptdarsteller und ihren Alltag, dabei wird aus ihrer Perspektive die sudkoreanische Gesellschaft kritisch beobachtet. Als wichtigste Veranderung der Betrachtungsposition werden dabei die Nordkoreaner selbst, meistens in Form von Familie, als Hauptdarsteller eingesetzt; nicht selten sind Werke von Filmemachern zu finden, die selbst nordkoreanische Fluchtlinge waren. Außerdem sind Ende 2000 verschiedene Genrefilme mit der Bezeichnung Konfliktfilm entstanden. Die Hauptaussagen der Filme sind die Uberflussigkeit des Krieges und die gefallene nordkoreanische Gesellschaft sowie die Kritik an der sudkoreanischen Gesellschaft aus dem Blickwinkel nordkoreanischer Fluchtlinge. Von großer Bedeutung, um die wahre Realitat im Norden filmisch darzustellen ist, dass die Filmemacher selbst in den Suden gefluchtete Nordkoreaner waren oder als dritte Beobachter der Situation in Nordkorea nah waren, zum Beispiel Kyu-Min Kim3) von WINTERSCHMETTERLING oder Lu Zhang4) von DOOMAN RIVER. Eine Besonderheit in dieser Zeit ist das Auftauchen von Independentfilmen5) zum Thema nordkoreanische Fluchtlinge, die die aktuelle Lebenssituation in Nordkorea zeigen. Independentfilme, die seit Ende 2000 auf den Markt gekommen sind, zeigen meist die Realitat in Nordkorea und basieren auf einer wahren Geschichte. Die Filme DOOMAN RIVER und WINTERSCHMETTERLING, zum Beispiel, haben vielseitige Ahnlichkeiten in verschiedenen Aspekten und versuchen, die aktuelle Gesellschaftssituation bekannt zu machen. Unter diesem Aspekt ist auch der Spielfilm CROSSING 2008 eng mit dem Thema verbunden.

    Vor allem sind die Flüchtlinge erstmals in der südkoreanischen Geschichte als Hauptdarsteller in Konfliktfilmen zu sehen, eine Tatsache die eng verbunden ist mit der gestiegenen Zahl der Flüchtlinge in der realistischen Situation zwischen Süd- und Nordkorea. Nach der staatlichen Statistik kann man feststellen, dass die Zahl der nordkoreanischen Flüchtlinge seit 2000 stark gestiegen ist.

    [] Die Zahl der nordkoreanischen Fluchtlinge von 2001 -20106)

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    Die Zahl der nordkoreanischen Fluchtlinge von 2001 -20106)

    Nach der staatlichen Statistik ist die Zahl der nordkoreanischen Fluchtlinge seit 2000 standig gestiegen; im Jahr 2001 lag die Gesamtzahl der Fluchtlinge bei 583, ein Jahr spater hat sich die Zahl fast verdoppelt. Im Jahr 2005 ist die Zahl auffallig zuruckgegangen, 2006 jedoch wieder dramatisch gestiegen. Im Vergleich zu dem Jahr 2001 ist die Gesamtzahl der Fluchtlinge fast um das Vierfache gestiegen. Die Zahl der weiblichen Fluchtlinge hat im Jahr 1989 lediglich bei 7% gelegen, von 1997 bis 2000 stieg sie jedoch von 35% auf 42%, bis sie schließlich seit 2002 hoher ist als die Zahl der mannlichen Fluchtlinge, da Frauen bessere Bedingungen als Manner haben, sich nach der Flucht in einem Drittland, wie zum Beispiel China, eine Lebensbasis aufzubauen.7) Die Betrachtung des vollig verschlossenen Landes durch die Augen ihrer Landsleute in den Konfliktfilmen dieser Zeit ist ein neuer Aspekt, der den Zuschauer noch realistischer mit Informationen versorgt und zugleich versetzt es die sudkoreanischen Zuschauer unter Schock, dass sich die zwei Regierungen im gesamten Land im Laufe der Zeit noch starker zu zwei kontrastiven Welten entwickelt haben. Oh findet den Grund fur die soziale Veranderung, warum die Zahl der Filme uber Fluchtlinge seit Ende 2000 dramatisch zugenommen hat. Ihrer Meinung nach war der Zahl der Fluchtlinge bisher nicht “so hoch und die bisherige Erwahnung”8) besitzt “einen propagandahaften Aspekt”.9) Im Vergleich dazu versteht man nordkoreanische Fluchtlinge als vielschichtige Existenz, die nicht mehr mit einem einfachen Rahmen definiert werden konnen, zum Beispiel, dass sie Nordkorea verneinen und sind deshalb bereit, sich in der sudkoreanischen Gesellschaft zu assimilieren; zur Zeit ist die Zahl der Fluchtlinge rasch gestiegen. Sie gehoren weder zur hoheren Schicht, noch haben sie sich aus politischen Grunden dafur entschieden. Der wichtigste Grund liegt eher “in der finanziellen Notlage und die Tatsache, dass ihre Ansiedlung in Sudkorea immer wieder anstrengend wird”,10) dies motiviert das Thema uber nordkoreanische Fluchtlinge noch aktiver zu erwahnen.

    Die nordkoreanischen Flüchtlinge, als aktive Sprecher über ihre ehemalige Heimat, gemäß des Gesetzes zum Schutz der Überläufer aus dem Norden und Unterstützung ihrer Ansiedlung sind zwar in Südkorea als neue soziale Schicht etabliert, aber die Vorurteile und die Benachteiligung sind noch zu spüren, als handle es sich um eine Gruppe Fremder. Die Filmemacher zeigen ihr neues Leben in einem demokratischen Staat, das sie unter Lebensgefahr erkämpft haben, und schließlich kritisieren sie die südkoreanische Gesellschaft hart, in der die Flüchtlinge keinen Wert haben. Mit den filmischen Bildern der nordkoreanischen Flüchtlinge zeigen die Filmemacher ironischerweise “das gesellschaftliche Paradox in Südkorea”11) Sie versuchen, in Südkorea zu überleben, treffen aber auf soziale Probleme und schließlich realisieren sie, dass sie sich nirgendwo stabilisieren können. Diese Filme fokussieren hauptsächlich die Menschen in Nordkorea, die unter der sozialen und gesellschaftlichen Notlage, wie dem Nahrungsmangel, über China nach Südkorea fliehen. Die Familiensituationen, wie der Verlust der Kinder, sind in den oben genannten Filmen sehr ähnlich: Die Männer, als Familienoberhäupter, gehen Risiken ein, um ihre Familie zu ernähren, oder sie sind abwesend. Die Frauen sind als arme Opfer zusehen. Sie sind krank wie in CROSSING, vergewaltigt oder haben eine schwere Belastung in der Familie wie in DOOMAN RIVER. Die Kinder übernehmen gezwungenermaßen die Rolle des Familienoberhauptes, sind jedoch nicht in der Lage dazu wie in DOOMAN RIVER und CROSSING. In dieser Zeit sind die Menschenbilder meist stark mit der sozialen Situation verbunden. Die Menschen leiden unter den unkontrollierbaren Problemen und schlagen aus einer Zwangslage heraus einen illegalen Weg ein. Die Haupträume sind in den Filmen häufig dunkel und leer dargestellt und besonders der filmische Raum Küche besitzt eine symbolische Rolle, die in engem Zusammenhang mit der aktuellen Realität in Nordkorea steht.

    3)Der Filmemacher Kyu-Min Kim wurde im Jahr 1974 in Hwanghaebukdo Nordkorea geboren und bis zum Gymnasium dort abgeschlossen. Während seines Studiums hat er Nordkorea verlassen kam im Jahr 2001 in Südkorea an. In Südkorea begann er ein Studium für Theater und Film an der Uni Hanyang in Seoul, um seinen Traum als Schauspieler zu verwirklichen, er beschloss jedoch Filmemacher zu werden. Er drehte zwei kurze Filme MORNINGCALL und MISVERSTÄNDNISS und hatte sein Debut als ersten langen Film mit WINTERSCHMETTERLING. Dieser Regisseur äußert über die Besonderheit seiner außergewöhnlichen Herkunft als nordkoreanischer Flüchtling, dass er sich verantwortlich fühlt, Südkorea über Nordkorea zu informieren; sein Debütfilm kann auch diesbezüglich verstanden werden. auf: http://blog.naver.com/gyeoulnabi  4)Lu Zhang, geboren 1962, ist ein bemerkenswerter Filmemacher, als Mitglied der koreanisch-chinesischen Minderheitenbevölkerung in China. Er schloss sein Studium der chinesischen Literatur an der Yan-Bian Universität in China ab und drehte seinem ersten langen Film TANG POETRY 2003. 2005 gewann er mit seinem dritten Film GRAIN IN EAR beim 10. Busan international Filmfestival den New Currents Award und ACID (Association du Cinéma Indépendant pour sa Diffusion) von a Critique Cannes im Cannes Filmfestival. Für seinen nächsten Film HYAZGAR 2007, den Zhang komplett in der Mongolei drehte, wurde er zur 57. Berlinale eingeladen. Mit seinem Film DOOMAN RIVER im Jahr 2009 war er in der Kategorie Generation bei der 60. Berlinale vertreten. Seine weiteren Filme CHONGGING 2008 und IRI 2008 zeigten seinen Stil des Programmkinos ganz deutlich, womit er internationale Aufmerksamkeit gewann. Seine Filme zeigen Außenseiter. Das Leben und die Identität der koreanischen Minderheitenbevölkerung in China wird immer wieder in seinen Filmen gezeigt, um sich seiner Wurzel bewußt zu werden. auf: http://blog.naver.com/dooman_river/ und Vgl. Kang (2011), S. 91.  5)Die Geschichte des koreanischen independent Film ist nicht lang. Der Begriff aus Amerika wurde in Korea übernommen und nach der Situation in Korea weiter entwickelt. Der koreanische independent Film stand in einem engen Verhältnis mit den sozialen Bewegungen in den 80er Jahren. Anfang der 80er wurde das Medium Film als ein Teil der sozialen Bewegungen beachtet, so wurden z.B.in Universitäten viele studentische Vereine erstellt und die Mitglieder von solchen Vereinen haben schließlich einen independent Film Verband eingerichtet. Insbesondere war der Verband Jangsangotmae ein sehr wichtiger Verband in der koreanischen independent Filmgeschichte. Der politische Film THE NIGHT BEFORE THE STRIKE 1990 von diesem Verband behandelt einen heftigen Streit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die eine Gewerkschaft erstellen möchten und die auf Widerstand stoßen. Der Verband Jangsangotmae stand im Widerspruch zu der damaligen Filmgesetzgebung und der Regierung, die gesetzliche Änderungen einleitete, um die Filme von Produktion, Verleihen und Präsentation zu befreien. Der Film SANGGYE-DONG OLYMPIC 1988 von Dong-Won Kim beschreibt das Leben der Obdachlosen in Sanggye-Dong in Seoul im Jahr 1988, in dem die Olympiade stattgefunden hat. Das neu geänderte Filmgesetz in der fünften Fassung hat die Produktion von independent Filmen positiv beeinflusst.  6)Statistics Korea, auf: http://www.index.go.kr/  7)Ein weiteres Phänomen ist, dass immer mehr Familien nach Südkorea kommen und mehr als 70% der Überläufer zur Altersgruppe der 20-30-Jährigen gehören. Der momentane Trend der Familienabwanderung ist, dass ein Teil der Familie bereits im Süden eine Basis gefunden hat und später die restlichen Familienmitglieder, die sich in einem Drittland oder in Nordkorea aufhalten, nach Südkorea holt. Die Unterstützung von Seiten Südkoreas für die Nordkoreaner, in den südkoreanischen Botschaften im Ausland und die finanzielle Hilfe von den schon in Südkorea lebenden Flüchtlinge für ihre Familien in Nordkorea haben dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, dass die Zahl der Flüchtlinge enorm zugenommen hat. Vgl. Kim (2011), S. 244.  8)Die Bezeichnung der nordkoreanischen Flüchtlinge hat sich im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich entwickelt: Die gesetzliche Bezeichnung für die nordkoreanischen Flüchtlinge im Süden heißt “Überläufer aus dem Norden”. Das Gesetz zum Schutz der Überläufer aus dem Norden und die Unterstützung ihrer Ansiedlung beschreibt sie wie folgt: “Eine Person, die in Nordkorea eine Adresse, direkte Familie, Ehegatte/in und Arbeit hat und nach dem Verlassen von Nordkorea keine ausländische Staatsangehörigkeit erworben hat”. Aber gebräuchlich sind eher Bezeichnungen, wie “Talbukja(Überläufer aus dem Norden)”, “Guisunja(Deserteur)”, “Talbukdongpo(Aus dem Norden entkommende/r Landsmann/frau)” oder “Saeteomin(Neu Eingewanderte)”. Kim (2011), S. 243 Es hat lange gedauert, dass die Bezeichnung “Saeteomin(Neu Eingewanderte)” öffentlich angewendet wurde: Die nordkoreanischen Flüchtlinge(auf Koreanisch Talbukja mit der Bedeutung “Überläufer aus dem Norden”) waren für einige Zeit ein Dorn im Auge in der südkoreanischen Gesellschaft, weil ihre Existenz ein Störfaktor für die innerkoreanische Diplomatie war. Das war auch der Grund, weshalb die Bezeichnung Saeteomin (“Neu Eingewanderte”) aufkam. Die Erfindung dieses Wortes war eine Gestik der Zufriedenstellung des nordkoreanischen Regimes, da die südkoreanische Regierung zu gut wusste, wie unangenehm es dem Norden war, offiziell über die Flüchtlinge zu reden. Es gab auch Fälle, in denen es wegen der Einladung eines Überläufers als Redner zu einer Veranstaltung von ranghohen Mitarbeitern der Regierung zu Beschwerden kam. Kim (2011), S. 241.  9)Oh (2012), S. 186.  10)Eben da, S. 186.  11)Eben da, S. 187.

    3. Einzelne Filmanalyse

       3.1 Blick auf die nordkoreanische Gesellschaft: CROSSING 2008, DOOMAN RIVER 2009, WINTERSCHMETTERLING 2011

    3.1.1 Figur-Abwesender Vater, Frauen und Kinder als Opferfigur

    Seit langem wurden Nordkorea und seine Regierung meistens von nderen Ländern, vor allem aber von Südkorea kritisiert. In Filmen haben sich beide Länder gegenseitig angegriffen. Interessant ist, dass seit Ende 2000 die Nordkoreaner selbst ihr Land und die Landesführer hart kritisieren. In den Filmen CROSSING, DOOMAN RIVER und WINTERSCHMETTERLING stellen sie Nordkoreaner als Hauptdarsteller dar und lassen erzählen, was sie in Nordkorea erlebt haben. Die Veränderung der Erzählweise, nämlich die lebendigen Berichte ihrer Landsleute, ist das wichtigste Element für die filmische Darstellung von Nordkorea. Interessant und auffällig ist dabei auch, dass in diesen Filmen Ende 2000 die nordkoreanischen Familien im Zentrum der Handlung zu sehen sind, die Familiengeschichte wird dabei mit den gesellschaftlichen Hintergründen verknüpft. Der selbstkritische Blick auf die nordkoreanische Gesellschaft durch Regisseure, die selbst als nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea aufgenommen wurden, stellt eine wichtige Veränderung dar. Die Geschichten über Nordkorea, die die nordkoreanischen Flüchtlinge selbst vermitteln, basieren auf dokumentarischem Filmmaterial und betont damit den Ernst der Geschichte.

    Die Familienbilder in den angeführten Filmen weisen einige Gemeinsamkeiten auf, insbesondere die Genderbilder und die für bestimmte Situationen eingesetzten Bilder. Vor allem sind die Darstellungen des Familienvaters wegen der sozialen Probleme völlig abwesend oder zerstört. Der Familienvater, ein leerer Begriff im wörtlichen Sinn, ist unfähig trotz seiner unerschöpflichen Versuche zum Überleben und Versorgen, schließlich befindet er sich am tragischen Schluss vollkommen allein.

    Im Film CROSSING arbeitet der Familienvater Yong-Su (In-Pyo Cha) als körperlich hart in einem Kohlebergwerk; einst war er ein berühmter Fußballspieler. Er ist der einzige, der die Rolle als Familienvater übernimmt, und überschreitet die Grenze nach China als illegaler Arbeiter, um seine Familie zu unterstützen, insbesondere um für seine kranke Frau Medikamente zu besorgen. Die Trennung von seiner Familie ist die notwendige Entscheidung, um das Leben seiner Frau zu retten und zugleich lässt sie ihn hoffen mit dem verdienten Geld wieder nach Nordkorea zu seiner Familie zurückkehren. Das Verhältnis zwischen Yong-Su und seinem Sohn Jun-I (Myoung-Chol Shin) ist mit dem Rollentausch stark verbunden. Yong-Su überträgt seinem kleinen Sohn die Rolle als Familienoberhaupt und verlässt sein Dorf. Yong-Su erreicht sein Ziel nicht, zu seiner Familie zurückzukehren, ironischerweise ist er jedoch der einzige Überlebende seiner Familie. In diesem Film wurde oft von der aktuellen Situation gefordert, sich anzupassen; ohne zu wissen, dass er nach Südkorea ausgeliefert wird, gab er ein Interview, um Geld zu verdienen. Die Darstellung dieses Mannes, der nicht wirklich nach Südkorea kommen wollte, ist deshalb sehr kraftlos und unerwartet. Seine Identität ist je nach Situation häufig verändert und unabsehbar, aber er ist gezwungen, sich den Situationen anzupassen. Zum Schluss verliert er jedoch alles: Er konnte seine arme Frau nicht schützen und sein Plan, den Sohn nach Südkorea kommen zu lassen, ist schief gegangen. Die Hilflosigkeit und Fassungslosigkeit als Familienvater werden von der Kamera sehr nah an der Figur gezeigt. Zu sehen in der Handlung, wie er regelmäßig in Südkorea die Medikamente für seine kranke Frau kauft, obwohl ihm am Ende klar ist, dass es nichts mehr bringt, weil seine Frau nicht mehr am Leben ist, wiederholt er diese Handlung dennoch.

    Die kontrastiven Gegenüberstellungen zwischen Realität und Traum im Film WINTERSCHMETTERLING sind für die Südkoreaner wie die anderen Länder gleichermaßen frustrierend. Dieser Film betrachtet im Vergleich zu anderen Filmen, die im selben Zeitraum produziert worden sind, das Leben in Nordkorea. Der Regisseur Kyu-Min Kim,12) selbst nordkoreanischer Flüchtling, nimmt einige unterschiedliche soziale Gruppen in Nordkorea auf und beleuchtet damit mit einigem Abstand die alltägliche Situation. Im Film WINTERSCHMETTERLING, der nach wahren Begebenheiten gedreht wurde, geht es um eine arme Familie, die aus dem Jungen Jin-Ho (Seung-Won Jeong) und seiner kranken Mutter (So-Yeon Park) besteht. Die Stelle des Familienvaters bleibt auch hier leer, der ältere Bruder ist nach den Worten der Mutter beim Militärdienst, es ist aber offensichtlich, dass beide nicht mehr am Leben sind. Die vollständige Familie existiert also nur noch im Bild, nicht in der Realität. Die Männer sind in diesem Film das Symbol der Vergangenheit, in der das Land noch unter einem gewissen Wohlstand lebte.

    Ein ähnliches Familienbild ist in einem weiteren Film zu finden; Der Film DOOMAN RIVER zeigt das Lebensbild der Menschen in einem Dorf, das sich über dem Dooman Fluss gegenüber Nordkoreas befindet. Der Filmemacher Lu Zhang gehört selbst zu der koreanischen Minderheit, die in China lebt, und er betrachtet als dritte Person mit einem objektiven Blickpunkt Nordkorea und die Landverteilung sowie nordkoreanischen Flüchtlinge. Wegen seiner geographisch günstigen Lage ist das chinesische Gebiet auf der anderen Seite des Dooman Flusses der erste Ort, den die Flüchtlinge aus Nordkorea ansteuern und zugleich ein Symbol für die Hoffnung des Lebens. Der Familienvater im Film DOOMAN RIVER ist vollkommen abwesend. Bilder zu dem Begriff “Familienvater” sind in diesem Film nicht zu finden. Die Mutter der Familie von Chang-Ho, die gegenüber des Dooman Flusses in China als Teil der Minderheitenbevölkerung lebt, übernimmt die Rolle des Familienoberhauptes, arbeitet in Südkorea und existiert nur durch ihre Stimme am Telefon. Der Großvater der Hauptfiguren Chang-Ho ist zwar da, spielt jedoch keine bestimmte Rolle für die Familie. Der einzige Vater im Dorf, der mit Handel beschäftigt ist, wird von Polizisten festgenommen, da er den Nordkoreanern illegal bei ihrer Flucht geholfen hat. Mit den übrigen Männern im Dorf verhält es sich ähnlich: Sie leiden unter der schlimmen Arbeitslosigkeit und leben tagein tagaus von Alkohol. Der Alltag hat für die Dorfbewohner keine besondere Bedeutung. Die jungen Menschen sind schon weggegangen, dorthin, wo sie bessere Chancen erwarten, um Geld zu verdienen; im Dorf bleiben nur die alten Menschen, Kinder und Alkoholiker übrig.13) In seinen Filmen sind typischerweise Standbilder von Menschen zu sehen, die keine Wurzeln haben und deshalb ständig wandern.14)

    Während der Abwesenheit des Familienvaters spielen die zurückgelassenen Kinder und Frauen die Wurzeln der Lebensprobleme und zugleich die Opferrolle dar. Sie müssen sich um die anderen Familienmitglieder, meistens ihre kranke Mutter oder die alten Großeltern, kümmern und leiden direkt unter der bitteren und unmenschlichen Lebenssituation in Nordkorea: Die kranke Mutter im Film CROSSING war eigentlich der Grund dafür, dass ihr Mann als illegaler Arbeiter mit vollem Risiko über die Dooman Fluss nach China ging, nachdem ihr Mann vom Arzt erfahren hatte, dass er die Medikamente in Nordkorea nicht besorgen kann. Diese Frau stirbt während der Abwesenheit ihres Mannes und lässt ihren Sohn zurück. Der Filmemacher blickt durch die Augen der Kamera, als objektiver Betrachter, auf diesen emotionalen Moment der Familiengeschichte: Die Sequenz, in der ihr Tod inszeniert wird, konzentriert sich aber nicht auf die verstorbene Mutter, sondern eher auf den Jungen und seine Handlung. Der Zuschauer betrachtet durch das geöffnete Fenster die liegende Frau und mit der Bewegung des Vorhangs nach einem Windstoß wird sie als Mutter des Jungen identifiziert. Mit dem Eintritt des Jungen wechselt die Kamera ihre Position hin zur Eingangstür und betrachtet ihn gegenüber am Fenster stehend. Durch die halb geöffnete Tür sieht man die beiden im Zimmer und aus der Distanz beobachtet man, wie er sich seiner Mutter nähert. Als nächstes sind beide in einer Großaufnahme mit einer stabilen Kamera aufgenommen. Die Kamera bewegt sich schließlich und verfolgt den Jungen, der sich gegen den Transport der Leiche wehrt. Im Schlussbild dieser tragischen Sequenz steht der Junge in dicken Staub gehüllt hilflos dort, wo der Wagen weggefahren ist.

    Die Beispielsequenzen, in der die Filmemacher mit bestimmten Absichten die Opferfiguren fokussiert dargestellt haben, sind auch im Film DOOMAN RIVER mühelos zu finden. Das taube Mädchen Seon-Hee in diesem Film kümmert sich statt ihrer Mutter um ihren jüngeren Bruder und Großvater und bietet auch dem geflohenen Nordkoreaner eine warme Mahlzeit an, wie sie sie für ihre Familie täglich macht. Ihre Hauptaufgabe, die Mahlzeit zuzubereiten, und die Familie gemeinsam am Esstisch zu versammeln, taucht häufig auf und wiederholt sich. Ihre Familie hat, trotz des Risikos, einen nordkoreanischen Flüchtling mit Gastfreundschaft aufgenommen, dennoch wurde sie von ihm vergewaltigt. Die Hilflosigkeit nach der Vergewaltigung wird durch ihr Gesicht und ihre Handlungen dargestellt und die Bilder ohne Ton zeigen ihre Situation noch effektiver. Insbesondere in der Sequenz, in der sie den Anruf ihrer Mutter erhält,konzentriert sich die Kamera ausschließlich auf sie und ihre Reaktion.

    Chang-Ho, der Hauptdarsteller im Film DOOMAN RIVER tritt am Anfang des Films am gefrorenen Dooman Fluss liegend auf. Er wird von dem Dorfvertreter und seiner heimlichen Geliebten entdeckt, die sich damit beschäftigen, die toten Menschen aus Nordkorea am Fluss bei denÄmtern zu melden. Mit Hilfe seiner Mutter, die in Südkorea arbeitet, bleibt seiner Familie die Sorge um die Nahrungsnot erspart, aber das Dorf, in dem nur ältere Menschen und Kinder zu sehen sind, hat schon lange seine Lebendigkeit verloren. Chang-Ho ist als Kind eine alltägliche Figur; er freundet sich unbeschwert mit dem Jungen Jeong-Jin aus Nordkorea durch den Fußball an, das Fußballtunier gegen das Nachbardorf ist dabei klar wichtiger als die unterschiedliche Ideologie. Für ihn ist Jeong-Jin ein neuer Freund, der unter Lebensgefahr über die Flüsse aus Nordkorea gekommen ist, um sein Versprechen ihm gegenüber zu halten. Die neue Freundschaft mit Jeong-Jin beginnt mit der Tat, das Leben der anderen zu retten. Beide Jungen treffen sich in einem alten Raum im Dorf, dort bietet ihm Chang-Ho etwas zu essen an, im Gegensatz zu den anderen Dorfjungen, die ihn ignorieren. Das Essen bekommt er unter der Voraussetzung, dass die Jungen aus Nordkorea mit ihnen gegen das Nachbardorf Fußball spielen. Jeong-Jin ist der einzige Junge, der für die Einhaltung dieses Versprechens wieder unter Risiko zu Chang-Ho kommt. Chang-Ho, der eigentlich gegenüber den nordkoreanischen Flüchtlingen freundlich und von der Welt der Erwachsenen distanziert war, verändert sich rasch, nachdem er von einem Dorffreund erfahren hat, dass seine Schwester von den Nordkoreanern vergewaltigt wurde und dadurch die offensichtliche Schande im Dorf durch den Flüchtling vergrößert worden ist. Seine innere Veränderung wird mittels seiner aggressiven Handlungen dargestellt: Er geht zum Fluss und schlägt dort mit einer Stange die geflohenen Nordkoreaner nieder und nimmt sich vor, die nordkoreanischen Kinder aus dem Dorf zu entführen. Die Freundschaft mit Jeong-Jin bleibt jedoch stabil. Das Erscheinen von Jeong-Jin beim Fußballspiel erwärmt Chang-Ho und die Jungen im Dorf spielen zusammen. Überraschend wird Jeong-Jin von der Polizei festgenommen und dabei steht das Bild plötzlich still. Die Kamera zeigt Jeong-Jins Gesicht; im Anschluss nimmt sie Chang-Ho in den Fokus und zeigt, wie er auf diese Situation reagiert. Wegen des dicht gefallenen Schnees merkt man nicht genau, wo Chang-Ho sich befindet. Er sagt der Polizei, sie dürften Jeong-Jin nicht festnehmen und läuft langsam weiter, bis er plötzlich abstürzt. Die Kamera bleibt in der Mitte eines Raums mit zwei großen Fensterrahmen. In einem Rahmen nimmt die Kamera die Polizei, die Kinder und Jeong-Jin auf, deren Blicke sich nach oben in Richtung der Hausdecke richten, und in dem anderen zeigt die Kamera Chang-Ho, der abstürzt. Diese Situation kommt sehr überraschend, nicht nur die Tatsache selbst, sondern auch dass der Filmemacher ohne Vorwarnung den Tod von Chang-Ho dargestellt hat. Dass der Tod von Chang-Ho im Laufe des Films notwendig war, betonte der Filmemacher in einer Veranstaltung beim Internationalen Filmfestival von Busan 2011:

    Unter Lebensgefahr überquert der Junge Jeong-Jin wieder die Flüsse mit Nahrung, um seinen jüngeren Bruder zu versorgen. Er füllt die Stelle des Familienoberhaupts aus, da seine Eltern schon gestorben sind, und kümmert sich um seinen jüngeren Bruder. Allein durch sein Handeln wird der Nahrungsmangel in Nordkorea als sehr tragisch dargestellt. In der Sequenz, in der er sich bei der Mahlzeit mit Chang-Hos Familie mit dem Essen zurückgehalten hat, es dann aber sehr schnell verschlingt, verdeutlicht die Vermutung, dass er mehrere Tage lang nicht gegessen hat. Sein Hauptziel, nach China zu gelangen, ist selbstverständlich darin begründet, dass er sich ernähren können will, für die Freundschaft mit Chang-Ho jedoch nimmt er das Risiko in Kauf.

    3.1.2 Konflikt-unfahige Regierung, vernachlassigte Bevolkerung unter Nahrungsmangel

    In der aktuellen Lebenssituation in Nordkorea ist der Nahrungsmangel das größte Problem überhaupt, und leitet viele weitere Problemen ab. Die Filme fokussieren eher die aktuelle Lebenssituation und zeigen, wie die Menschen dort unter dem Nahrungsmangel leiden und wie das Land heute aussieht. Nordkorea ist ein nach außenhin verschlossenes Land und Informationen konnte man nur von Nordkorea selbst bekommen. Nordkorea gestattete vereinzelt anderen Nationen in das Land zu reisen, um es näher kennen zu lernen; Abweichungen vom Protokoll waren dabei nicht gestattet. Seit Ende 2000 gelang es einigen Nordkoreanern aus dem Land zu flüchten, seitdem ist die Lebensnotlage im Land bekannt geworden. Die aktuelle Lebenssituation in Nordkorea wurde in TV-Dokumentationen veröffentlicht und dabei spielten auch die Filmemacher eine Rolle. In den Filmen CROSSING und DOOMAN RIVER sowie WINTERSCHMETTERLING wird die Nahrungsnotlage thematisiert und als Kernproblem zieht es weitere Probleme nach sich.

    In CROSSING wird der Überlebenskampf des Familienvaters Yong-Su in Nordkorea in einigen Episoden dargestellt: Er opfert den Familienhund zum Essen, der besonders dem Sohn ans Herzen gewachsen war. Auch in einer anderen Sequenz zeigt sich der Kampf dramatisch, als er den Fernseher, die einzige wertvolle Sache im Haushalt, zum Verkaufen auf dem Markt bringt und die Kamera sein Gesicht und seine Hände in einer Großaufnahme zeigt, in einer Geste, wie er vor einem nordkoreanischen Polizisten den Fernseher, den er als Auszeichnung von der Regierung erhalten hatte, versucht, versteckt zu halten. Dieser Fernseher war für seine Familie der ganze Stolz, in einer Notsituation ist es jedoch nur ein Mittel, um Nahrungsmittel zu bekommen.

    Im Film DOOMAN RIVER spielt die Essensszene auch eine wichtige Rolle. Essen ist eine Lebensnotwendigkeit, eine wesentliche Tätigkeit also und deshalb wiederholt es sich im Film; das Essen von Seon-Hees Familie wiederholt sich mit wechselnden Teilnehmern im Laufe des Films. Die Bitte um eine Mahlzeit besitzt insbesondere in Zeiten der Lebensmittelknappheit eine große Bedeutung, zum Beispiel die, das Leben miteinander zu teilen, nicht nur als bloßes Sattessen. Der Film DOOMAN RIVER inszeniert die Nahrungsnot als gesellschaftliches Problem zuerst indirekt unter einem anderen Aspekt, aber tragisch mit den toten Menschen an dem gefrorenen Dooman Fluss. Die Kamera zeigt die toten Menschen aus der Ferne, so dass sie nicht identifizierbar sind. Das Verhalten der chinesischen Soldaten und Dorfbewohner jenseits des Dooman Flusses in Nordkorea kann nur vermuten lassen, dass diese Tragödie alltäglich ist. Es gibt aber andere Zeugen, die Nordkorea treffend darstellen, zum Beispiel der geflohene Nordkoreaner und der Junge Jeong-Jin, die für Lebensmittel oder wegen anderen Lebensproblemen über den Dooman Fluss nach China gekommen sind. Da das Essen mehr als lebensnotwendige Tätigkeit bedeutet, ist das Hassgefühl der Dorfbewohner und Zuschauer gegenüber dem nordkoreanischen Flüchtling, der zu dieser Mahlzeit eingeladen und damit sein Leben gerettet wurde, aus diesem Grund verständlich. In einer Szene, vergewaltigt der Nordkoreaner, der in der Nacht über den Dooman Fluss über die chinesische Grenze gekommen ist, das taube Mädchen Seon-Hee. Eine TV-Nachrichtensendung über den aktuellen Landesführer von Nordkorea motiviert ihn zu der Tat. In der Nachricht geht es um das Lob und die Verherrlichung und steht im klaren Widerspruch zu der Situation des Nordkoreaners, der wegen der Politik geflohen ist. Die Kamera bleibt eine Weile auf den Nordkoreaner gerichtet, wie er isst; langsam folgt der Zuschauer seinem Blick, wo das Mädchen die TV-Nachricht anschaut. Seine Reaktion auf die Nachricht ruft direkt die Hassgefühle gegen die nordkoreanische Regierung hervor. Der Filmemacher fokussiert weiterhin den Fernseher, während das Mädchen außerhalb des Sichtfeldes vergewaltigt wird. Man vermutet ausschließlich akustisch, was passiert und wird gefordert, die Bilder im Fernseher zu betrachten. Diese lange Sequenz erhält mehrere Metaphern:16) Im Verlauf der Szene bettelt der nordkoreanische Flüchtling vor Hunger das Mädchen endlos um Essen an, bis schließlich zur Vergewaltigungsszene mit dem Nachrichtengeräuschkulisse, inszeniert nicht einfach das Verhältnis zwischen Täter und Opfer, sondern viel mehr mit einer klaren Problemdarstellung, wie die nordkoreanische Regierung ihre Landsleute dramatische, menschenunwürdige Situationen drängt. Mit dieser Sequenz fragt man sich, wie die koreanische Minderheit an der Grenze mit nordkoreanischen Flüchtlingen umgehen soll, die mittelerweile zu einem Risiko geworden sind. Zhang gibt seine Antwort dafür mit zwei bedeutsamen Sequenzen von Chang-Hos Tod und der Trauminszenierung der alten Damen, dass sie die nordkoreanischen Flüchtlinge trotzdem weiterhin als ihr Volk annehmen sollen.17)

    Der Film WINTERSCHMETTERLING zeigt die Nahrungsnot in Nordkorea in einem dramatisch tragischen Schluss. Dieses soziale Problem verändert die nordkoreanische Gesellschaft allmählich und führt zur Aufweichung der Grenzen der Legalität. Die Inszenierungsweise der Nahrungsnot ist im Film WINTERSCHMETTERLING sehr realistisch und direkt. Die Kamera folgt ständig der Mutter, die alleinerziehend ist, und ihrem Sohn Jin-Ho und bleibt ganz nah, sie zeigt, wie sie über Nahrungsmittel sprechen und zeigt die leere Küche ganz genau. Die Mutter und der Junge unterhalten sich hauptsächlich über das Essen; die Essensszene kommt häufig vor. Die Nahrungsmittelknappheit bestimmt die großen und kleinen Lebensprobleme; Jin-Ho und sein Freund bekommen Streit, da Jin-Ho seinem Freund unterstellt, dass er absichtlich jeden Morgen in die Wohnung kommt, um Essen zu bekommen, wenn er den Rauch, als Zeichen des Kochens, bemerkt. Die Anspannung zwischen Jin-Ho und seinem Freund wiederholt sich jeden Morgen und führt schließlich zu einer Schlägerei im Berg. Das soziale Problem des Nahrungsmangels in diesem Film wird nicht nur mit der Essentätigkeit verdeutlicht, sondern auch in den Dialogen zwischen den Jungen. In der Sequenz, in der Jin-Ho und sein Freund auf dem Berg eine kurze Pause machen, unterhalten sie sich über ihren Traumberuf. Jin-Ho möchte Koch werden, sein Freund Soldat; nicht um den amerikanischen Feind zu besiegen, sondern allein wegen der drei geregelten Mahlzeiten am Tag. Die nordkoreanische Ideologie hat keine größere Bedeutung als das alltägliche Problem, das mit der aktuellen Lebensbedingung verbunden ist. Die Steigerung des Nahrungsmangels wird während der Abwesenheit von Jin-Ho durch die Mutter verdeutlicht. Da sie die einzige Tätigkeit um Nahrungsmittel zu bekommen verliert, rationiert Jin-Hos Mutter die übriggebliebenen Nahrungsmittel noch strenger. Die Großaufnahme der Handlung, wie Jin-Hos Mutter ein Tuch mit Wasser einweicht, in dem Lebensmittel lagen, und dieses Tuch bis zum letzten Tropfen auswringt, schließt mit der Einstellung, dass sie die Flüssigkeit aus einer großen Schüssel trinkt. Diese nahe Betrachtung dieser Figur und ihre Veränderung durch die Nahrungsnot, mit ihrem kranken Sohn, beschreibt den wahren Prozess der Gesellschaft, wie sie darunter leidet.

    3.1.3 Alltagliche Orte als Filmische Raume

    Da der Nahrungsmangel als Hauptkonflikt behandelt wird, ist es nicht überraschend, dass die Wohnräume der Figuren der meist gezeigte Raum sind; die Wohnungen sind in den Filmen einheitlich grau und veraltet. Die lebendigen Darstellungen der Haushalte sind mit dem einheitlichen Farbton effektiv zu sehen. Die drei Beispielfilme CROSSING, DOOMAN RIVER und WINTERSCHMETTERLING bieten die Gelegenheit, die aktuellen privaten Räume der einfachen Bürger in Nordkorea kennenzulernen, darüber hinaus lässt sich vermuten, wie schwierig das Leben dort sein muss. Auffällig bei den Innenräumen ist, dass die Küche und das Zimmer zusammen zu sehen sind. Die Topfdeckel werden von der Kamera nah aufgenommen und Einstellungen des Inneren sind häufig zu sehen. Besonders in den Filmen DOOMAN RIVER und WINTERSCHMETTERLING, in denen das Nahrungsproblem detailliert beschrieben wird, besitzen diese Raumdarstellungen eine wichtige Bedeutung, nämlich die enge Verbindung zwischen Leben und Essen. Die Küche, zum Beispiel im Film DOOMAN RIVER, ist in der Tat nicht ganz genau gezeigt, lediglich die beiden Topfdeckel werden sehr nah an der Kamera gezeigt. Die Küche im Film WINTERSCHMETTERLING ist völlig leer und dunkel dargestellt: Dort kann man nur leere Schüsseln und Küchenschränke sehen, die Wärme in dieser Räumlichkeit ist kaum zu finden. Die aktive Tätigkeit, dass die Mutter im Ofen Feuer macht, um zu kochen, und ein lebendiges Gesicht kann man nur ein einziges Mal entdecken, nämlich als die Mutter ihren Sohn zum Essen kocht. Das ist der Moment, in dem sich die Küche in einen tragischen Ort verändert.

    Auch die Natur als Ort der Flucht ist nicht zu vergessen. Die wiederholende Handlung im Film WINTERSCHMETTERLING, ist die Wanderung der Nordkoreaner auf den Berg, um Holz zu sammeln; es ist die Haupttätigkeit von Jin-Ho. Der Berg ist in den Wintermonaten leer und trocken; nichts ess- oder verkaufbares ist noch zu finden. Überall sind gefällte Stämme und lediglich Bäume mit dünnen Ästen zu sehen. Der Farbton des Bergs ist meist dunkelbraun und verfärbt, so dass die Leere auf dem Land wirkungsvoll gezeigt wird.

    Die Dooman Fluss in der Winterzeit sind ein wichtiger Spielort und zugleich der Hauptschauplatz im Film DOOMAN FLUSS, der als Grenze zwischen Leben und Tod fungiert: Sie sind zunächst unter dem Aspekt der Geographie die einzige Landesgrenze zwischen Nordkorea und China, wo dieselbe Sprache gesprochen wird. Die koreanische Minderheit ist jedoch schon früher auf der anderen Seite des Landes angesiedelt, deshalb besitzen sie die chinesische Staatangehörigkeit. Der Fluss ist symbolisch ein natürliches Hindernis für die Nordkoreaner, das sie zum Überlaufen besiegen müssen.18) Diejenigen, die den Fluss erfolgreich überqueren, haben die Möglichkeit zum Überleben, für die anderen Menschen jedoch wird der Fluss zum Grab. An dem Fluss sind nur tote Menschen zu sehen, sie erhalten eine große Symbolkraft für Leben und Tod. An beiden Ufern des Flusses ist das Menschenleben sehr unterschiedlich. Der Dooman Fluss ist für die koreanische Minderheitenbevölkerung ein Teil ihres Lebens als alltäglicher Platz. Chang-Hos Großvater bittet ihn darum, ihn nach seinem Tod auf dem Berg zu begraben, von dem aus man den Fluss gut sehen kann. Die Dorfbewohner bekommen von diesem Berg und dem Fluss lebenswichtige Stoffe wie Holz oder Fische. Er bedeutet auch zugleich einen Lebensschutz, wo sie notwendige Materialien, bekommen können und sich vor der kommunistischen Ideologie geschützt fühlen. Für sie lässt sich der Fluss in einer vielseitigen Lebensbedeutung wahrnehmen, denn sie sehen die toten Menschen ohne große Hemmungen.

    Der Filmemacher Zhang benutzt den Dooman Fluss in seinem Film als dritte Person und lässt den Zuschauer aus der Distanz betrachten, was an dem Dooman Fluss passiert. Zhangs Filme sind mit sehr einfachen filmischen Darstellungen charakterisiert: Seine Kamera bewegt sich kaum. Sie betrachtet lediglich, wie die Figuren auftauchen und verschwinden. Dabei bleibt sie noch eine Weile, zeigt leere Räume, wo die Figuren schon nicht mehr zu sehen sind. Meistens befinden sich die Figuren in der Mitte oder im Hintergrund in Filmen und der Schnitt ist auch sehr einfach.19) Der minimalisierte Stil des Filmemachers, vor allem die Kamera als stiller Betrachter mit Abstand, zeigt die Figur und ihre Gefühle ohne Manipulation. Die Kamera und möglicherweise auch der Filmemacher gehört zum Teil der Natur, wie der Dooman Fluss.

    Diese Inszenierungsweise wird in der ersten Sequenz des Films kurzaber deutlich vorgestellt: Am Anfang des Films positioniert sich die Kamera in der Mitte des Flusses, der unter Schnee bedeckt liegt und zeigt bloß die Landschaft. Bis zwei Menschen vor die Kamera treten, bleibt das Bild ruhig. Nur die Menschen, deren Plan schief gelaufen ist, werden an dem Fluss tot gefunden, aber der Filmemacher zeigt den Prozess der Flucht nicht detailliert. Jeong-Jin ist die einzige Figur im Film, die der Filmemacher filmisch dabei dargestellt hat, wie er den Fluss überquert. Jeong-Jin, der den Dooman Fluss in der Nacht überquert, betrachtet die Kamera in der Ferne und man sieht ihn nur als Schatten, so dass es schwierig ist zu beurteilen, ob es sich um Jeong-Jin oder eine andere Person handelt. Der Schatten kontrastiert mit weißem Schnee, so dass seine Bewegung in der absoluten Stille sehr auffälligist. Unter einem anderen Aspekt kann man gut vermuten, dass der Filmemacher die Flüchtlingsprobleme an der Grenze darstellt: Jeong-Jins Flucht wird einmal von der Kamera verfolgt. Die Kamera, die bisher nur die Gegenstände und Figuren mit Abstand beobachtet hat, bewegt sich ganz nah hinter Jeong-Jin und schwankt mit ihm. Diese Sequenz ist die einzige, in der sich die Kamera aktiv bewegt hat. Dieser Handkameraeffekt taucht plötzlich auf und teilt die lebendige Spannung der Flüchtlinge mit.

    Im Vergleich zu der Inszenierung des Dooman Flusses und der Landesgrenze im Film DOOMAN FLUSS, die als Teil des Lebens für die Minderheitenbevölkerung häufig gezeigt werden, kommen im Film CROSSING der Dooman Fluss nur einmal vor, bei der relativ detailliert inszenierten Flucht von Yong-Su. Die Symbolik des Dooman Flusses, der die Grenze zwischen Leben und dem Tod bildet, hat sich aber in diesem Film nicht verändert. In der Fluchtsequenz überquert Yong-Su nachts den Fluss, begleitet von spannender Musik und nimmt das Abzeichen der nordkoreanischen Staatangehörigkeit von seiner Jacke ab. Die Kamera zeigt einen toten Mann im Fluss und fokussiert anschließend Yong-Sus Reaktion. Mit dem Erscheinen der nordkoreanischen und chinesischen Grenzpatrouillen wird die Stimmung angespannt und ein anderer Flüchtling wird schließlich von den chinesischen Soldaten festgenommen. Die Kamera nimmt Yong-Su und den Festgenommen abwechselnd ins Visier und kontrastiert die unterschiedlichen Situationen. Einen Tageswechsel verknüpft der Filmmacher mit der sich schnell bewegenden Kamera und stellt dynamisch dar, wie rasch er auf dem Land wegläuft. Eine ähnliche Kamerabewegung ist auch in einer späteren Verfolgungssequenz zu sehen; als die chinesischen Polizisten Yong-Su in dem Holzlager plötzlich überraschen, wo er als illegaler Arbeiter mit anderen Flüchtlingen körperlich schwer arbeitet, zeigen sie zuerst die Arbeiter unbewegt ganz oben, danach bewegt sich die Kamera mit dem Weglaufen von Yong-Su, so dass seine aktuelle Situation, ständig verfolgt zu werden, mit Spannung dargestellt wird. Seine Angst, dass er entdeckt wird und nie wieder zu seiner Familie zurückkehren kann, verbindet er mit seinen sich ständig wiederholenden Handlungen zum Überleben und stellt sie mit einem Handkameraeffekt wirkungsvoll dar. Der Spielort Holzlager bedeutet für die Flüchtlinge ein Asyl. Es ist den Arbeitern klar, dass sie sich hier in wahrhafter Gefahr befinden, doch trotz dieses Risikos müssen sie sich dafür entscheiden. Yong-Sus Hilflosigkeit, als er beim Überfall seinen Geldbeutel verliert und ihn fragend betrachtet, unsicher was er tun soll, wird in dieser Sequenz deutlich und zeigt, wie unsicher er sich fühlt.

    Was am stärksten auffällt ist, dass in den Filmen seit Ende 2000 der freie Markt als wichtiger Ort auftritt. Nordkorea als streng kommunistischer Staat erlaubt eigentlich keinen freien Markt, aus diesem Grund sind die Marktszenen überraschend. In beiden Filmen, sowohl CROSSING als auch WINTERSCHMETTERLING wird der freie Markt als Ort der Flucht aufgeführt. Alle möglichen Sachen werden auf dem Markt verkauft und es wird mit Nahrungsmitteln gehandelt. Der Staat hat seit mehreren Jahren keine Nahrung verteilt, so hat sich unter der Bevölkerung die Selbsthilfe entwickelt, die notwendigen Dinge zu besorgen. Mit dem unkontrollierbaren Staat wird das Leben für die einfachen Bürger noch schwieriger. Doch Lebendigkeit und Lärm sucht man auf dem freien Markt vergeblich. Es ist ruhig, eher einsam. Die Stimmung auf dem Markt ist niedergeschlagen. Die Kamera betrachtet die Mutter von Jin-Ho im Film WINTERSCHMETTERLING und zeigt ihre Tätigkeit ganz nah oder zeigt das ganze Bild des Markts und die Menschen, wo sonst meistens nur Verkäufer zu sehen sind. Durch die ausdruckslosen Gesichter der Verkäufer und den sparsamen Dialogen ist das Bild des Markts überraschend still und deshalb sehr merkwürdig.

    3.1.4 Kommunismus als leeres Wort

    Kommunistische Symbolik ist im Vergleich dazu in den Filmen seit Ende 2000 deutlich seltener zu finden. Die Zeichen für Nordkorea werden indirekt und passiv übermittelt; zum Beispiel in den Nachrichten, in Bildern der ehemaligen oder des aktuellen Landesführers im Haus, Sprache und rotes Halstuch. Sie werden in den Filmen nicht klar bewertet, genauso wenig, ob das Land noch ein Sinn hat. In den Filmen CROSSING und WINTERSCHMETTERLING in denen die aktuelle Lebenssituation direkt dargestellt wird, findet der Kommunismus vereinzelt Erwähnung, zum Beispiel in Radiosendungen, Spruchbändern mit rotem Hintergrund, Bildern des Landesführers, in der fremden nordkoreanischen Sprache u.s.w.. Sie sind aber nicht die Hauptelemente, die für den Staat Nordkorea stehen. Sie kommen in Filmen vor, um das Land symbolisch zu definieren, zugleich dienen sie aber auch dazu, zu zeigen wie ohnmächtig die Regierung zur Zeit ist. Die nordkoreanische Regierung existiert, ist aber von dem Alltag der Bürger, von den alltäglichen und lebenswichtigen Problemen, völlig isoliert. Die Regierung existiert nur als leere Hülle, sie war schon seit langem nicht am Leben der Bürger interessiert. In einer Sequenz im Film WINTERSCHMETTERLING wird die Hilflosigkeit der Regierung durch der Figur, die Mutter von Jin-Ho, deutlich dargestellt; Jin-Hos Mutter betet im Zimmer vor den Fotos der Landesführer, dafür dass sie ihr helfen, ihren Sohn zu retten und ihm einziges Mal ein warmes Essen zu bieten.

       3.2 Kritik an der neuen Heimat aus der Sicht nordkoreanischer Flu?chtlingen: THE JOURNALS OF MUSAN 2010 und DANCE TOWN 2011

    3.2.1 Nordkoreanische Fluchtlinge im Suden, die in ihrer Welt bleiben

    Die Konzentration auf die gestörte Familiensituation richtet sich auf das Flüchtlingsproblem in Süd- und Nordkorea und die Etablierung der Flüchtlinge in dem neuen Lebensraum in Südkorea. Ihre Existenz als Fremde ist aber keine feste Definition ihrer Existenz, sondern eine unterschiedliche Benennung, je nachdem “wo und wie man sich befindet”20) und wer wen mit dieser Definition bezeichnet.21) Mit den Filmen DANCE TOWN und THE JOURNALS OF MUSAN wird die Themenänderung der Konfliktfilme, der soziale Status nordkoreanischer Flüchtlingen und ihre Existenz in der neuen Heimat, verdeutlicht. Die Kritik an der südkoreanischen Gesellschaft aus der Perspektive von nordkoreanischen Flüchtlingen ist eine weitere Besonderheit dieser Epoche. Die Filme THE JOURNALS OF MUSAN und DANCE TOWN berichten von dem kämpferischen Leben der Flüchtlinge in Südkorea und stellen schließlich ihre Hoffnungslosigkeit, zugleich die unruhige und unfaire südkoreanische Gesellschaft dar.

    Der Film THE JOURNALS OF MUSAN von dem Regisseur Jeong-Bum Park22) basiert auf der wahren Lebensgeschichte eines Fluchtlings, einem Freund des Regisseurs. Zusammen mit der Kamera folgt der Zuschauer dem Hauptdarsteller und betrachtet das aktuelle Lebensbild als Fluchtling. Einen weiteren scharfen Blick auf die sudkoreanische Gesellschaft durch Fluchtlinge zeigt Der Film DANCE TOWN. Er ist der letzte Film der Town-Serie23) des Regisseurs Kyu-Hwan Jeon,24) die Seoul als Hauptspielraum nimmt, und zeigt aus drei unterschiedlichen Blicken, zuerst wie trocken die Hauptstadt Seoul ist und auch wie schwer die Menschen dort leben. Der Film DANCE TOWN folgt Jeong-Lim Lee als Hauptdarstellerin auf der Flucht, bis sie in Sudkorea als Burgerin aufgenommen wird, die anderen Mitburger sind dabei ebenso im Zentrum der gesamten Geschichte. Das Wort Town meint dabei nicht die Hauptstadt Seoul in Sudkorea. Wenn er als Hauptspielort Paris genommen hatte, hatte er ebenso Fluchtlinge als Hauptdarsteller eingesetzt:

    Der Film THE JOURNALS OF MUSAN beginnt damit, dass die Kamera einen Mann, die Hauptfigur Seoung-Chol, in der Ferne aufnimmt. Er befindet sich auf der Straße, die überflutet ist von Autos. Im Straßenlärm versinkend, klebt er unter Einsatz seines Lebens Poster an Straßenwände. Es ist nicht erkennbar wer er ist oder wie er aussieht; er bleibt, von der Kamera von hinten gezeigt, völlig anonym und wird von dem Straßenlärm dominiert. Er zeigt sein Gesicht nicht, die Kamera verfolgt ihn nebenbei und nimmt nur seine Seitenansicht auf. Für eine lange Weile wird er nach Beginn des Films als von der südkoreanischen Gesellschaft völlig getrennt dargestellt. Diese isolierte filmische Darstellungsweise ist einheitlich im gesamten Film zu finden. Die Hauptfigur in diesem Film ist zwar in der Mitte der Stadt, die von Menschen überlaufen und von Gebäuden voll ist, aber man bekommt das Gefühl, dass er sich in einem vereinzelten Bilderrahmen befindet. Die Figur wird durch alle möglichen filmischen Elemente von den restlichen Bildern als getrennt dargestellt.

    Der Filmemacher Kim stellt diesen Mann von Anfang an als Fremden in dieser Gesellschaft dar und folgt seinem Alltag, zeigt dabei auch, wie mühsam er versucht, in der demokratischen Welt auf eigenen Beinen zu stehen. Er bewegt sich ständig und ist immer allein unterwegs: Er klebt Poster an Wände zwischen Autos und Menschen. Bei der Arbeit spricht er nichts. Von seinem Arbeitgeber muss er schwere Arbeiten übernehmen und vor den anderen konkurrierenden Arbeitskollegen weglaufen, um nicht gefangen zu werden. Die südkoreanische Gesellschaft fordert von ihm, sich ständig zu verändern. Er war gehorsam und geduldig in allen Situationen, doch beginnt er allmählich, seine Stimme zu erheben: Er wurde nicht nur geschlagen, sondern schlägt selbst und beschwert sich nun, dass er nicht mehr arbeiten kann. Dazu dient vor allem die Kamerastellung: Die Kamera bleibt meistens hinter ihm, zeigt seinen Rücken und folgt seinen unruhigen Blicken. Die Kamera fokussiert diese Figur und zeigt dabei, welcher Tätigkeit er nachgeht. Die Figur beschäftigt sich immer mit mehreren Arbeiten und wiederholt oft, dass er dies gut schaffen kann. Wörtlich betont er es nicht nur gegenüber seinem Arbeitgeber, sondern auch sich selbst gegenüber, dass er bereit sei, alles zu tun, um in Südkorea zu überleben. Es dauert jedoch nicht lange, bis ihm genau diese Selbstbestimmung im Wege steht. Je öfter dieser Satz wiederholt wird, desto kritischer werden sein Alltag in Südkorea und seine Unfähigkeit dargestellt. Dieser Satz enthält nicht nur die wörtliche Bedeutung, sondern auch die symbolische Anmerkung, dass er schließlich nichts schaffen kann. Diese Unfähigkeit, mit anderen Worten Hilflosigkeit und Einsamkeit, ist ein entscheidender Begriff, um den Alltag der nordkoreanischen Überlaufer zu beschreiben.

    Seoung-Chol ist in den meisten Darstellungen zwar anonym zu sehen, aber seine offizielle Identität zeigt sich anhand der Nummernkombination, die mit 125 anfängt. Flüchtlinge aus Nordkorea bekommen eine Personalnummer, die mit 125 beginnt, wenn Sie als südkoreanische Bürger aufgenommen werden. Diese Nummer ermöglicht den Flüchtlingen viele offizielle Anmeldungen in Südkorea, und damit nimmt die südkoreanische Regierung sie schriftlich und gesetzlich als südkoreanische Bürger an. Ironischerweise spielt diese Nummer aber eine negative Rolle für sie, indem sie eine Abgrenzung zwischen den als neu aufgenommenen Bürgern und den Südkoreanern aufbaut, sie teilt die Bürger auf diese Weise wieder auf und sie funktioniert für die Flüchtlinge als Fußfessel, die sie als eine andere Gruppe von Südkoreanern definiert, die eigentlich weder innerlich und noch äußerlich ankommen kann. Anders gesagt können die Flüchtlinge zwar offiziell als südkoreanische Bürger aufgenommen werden, sie werden aber zugleich schon mit dieser Nummer von Anfang an als Fremde klassifiziert. Die Figur, die unter dieser unsichtbaren, aber offensichtlich existierenden unfairen Behandlung leidet, wird von der Kamera in den Blick genommen und wird schließlich dabei begleitet, wie er sich an die südkoreanische Gesellschaft gewöhnt. Eine Beispielsequenz dafür; als er sich mit Hilfe eines Kommissars auf die Suche nach einer Arbeit macht, schärft ihm der Kommissar auf der Treppe ein, dass er seine wahre Identität nie preisgeben dürfe, wenn er überleben wolle. Anschließend treten sie in einem kleinen Firmenbüro ein, in dem es so laut ist, dass die Figuren schon wieder im Lärm versinken. In der Interviewsequenz zeigt die Kamera den Arbeitgeber von vorne, nicht ihn, und diese Sequenz wird an der Stelle abgeschnitten, als nach der Erklärung über die Tätigkeit und das Gehalt der Arbeitgeber von ihm seinen Ausweis fordert. Im Anschluss ist sein kopierter Ausweis in der Großaufnahme zu sehen, der Arbeitgeber und der Kommissar unterhalten sich im Lärm und der Kommissar beschwert sich darüber, wo er denn arbeiten solle. Wie der Arbeitsgeber meint, habe das nichts mit ihm zu tun. In dieser Sequenz wird zwar kurz aber sehr klar dargestellt, dass er mit seinem Ausweis nirgendwo einfach Arbeit bekommen kann.

    Im Film THE JOURNALS OF MUSAN kommen außer dem Hauptdarsteller auch noch andere nordkoreanische Flüchtlinge vor, die das Leben in der Demokratie kritisieren. Insbesondere Kyoung-Chol, der Freund von Seoung-Chol, ist eigentlich der einzige, der gut zurecht kommt, und verspricht seinen Freunden, dass er ihren Familien bei der Flucht hilft und dafür Geld bekommt. Seoung-Chol und er leben in einer Wohnung; ihr schwerer Alltag wird in einer Sequenz deutlich dargestellt, als sich einige männliche Flüchtlinge in einem Zimmer darüber unterhalten, wie es ihnen geht. In der Unterhaltung geht es darum, wie viel sie pro Stunde verdienen und wie schwer sie dafür arbeiten müssen. Daneben läuft im Fernsehen eine Nachricht über Nordkorea und Propagandablätter, die nach Nordkorea gesendet werden. Sie leben hart, jeder mit seinen eigenen Problemen, doch trotz ihres anstrengenden Alltags möchten sie ihre Familie nach Südkorea kommen lassen und stellen ihren Freund als Vermittler an. Die Flüchtlinge haben sich mit dieser Verwandtschaft gegenseitig getröstet, aber als Kyoung-Chol als Vermittler eine Menge Geld verliert, nehmen die anderen Flüchtlinge ihn fest und fordern ihr Geld zurück. Er wird von den anderen Flüchtlingen verfolgt, denn er versucht, andere Flüchtlinge zu betrügen. Nun sind sie keine Freunde mehr und wieder kann er nicht länger in Südkorea leben. Einmal bricht sogar ein Flüchtling in ihre Wohnung ein, um seinen Freund zu fangen. Die Beziehung zwischen ihm und Seoung-Chol birgt auch ein Risiko und damit wird Seoung-Chols Veränderung spürbar, nämlich von einem harmlosen Menschen zu einem Mensch als Täter. Er war ein Mörder, der wegen Hunger seinen Freund getötet hat und bekräftigt immer wieder in Südkorea ein neues Leben beginnen zu wollen,26) jedoch das letzte Versprechen, ihm Geld zu liefern, hält Seoung-Chol nicht. Mit diesem Geld kauft sich Seoung-Chol einen schönen Anzug und bekommt eine neue Frisur, also eine visualisierte Verwandlung als passender Mensch in der südkoreanischen Gesellschaft.

    Seoung-Chols teilnahmslose Betrachtung seines toten Hundes kann auch in diesem Bezug verstanden werden. Seine einzige Tätigkeit zuhause ist den Hund, der wie ein Teil von ihm ist, zu hüten. Wie Seoung-Chol selbst, hat sein Besitzer ihn verlassen und es gibt keinen Ort, an den er gehen kann. Am Ende des Films ernährt sich Seoung-Chol von dem toten Hund auf der vom Regen feuchten Straße und starrt ihn für eine Weile an, schließlich ignoriert er ihn. Diese ziemlich lange und ruhige Sequenz enthält zwei Botschaften: Seoung-Chol als nordkoreanischer Flüchtling ist tot27) und von nun an führt er ein neues Leben als richtiger südkoreanischer Bürger und die südkoreanische Gesellschaft zwingt ihn gewaltsam herzlos zu leben und verdeutlicht damit, wie brutal und eiskalt Südkorea ist. Wahrscheinlich ist das Leben in Südkorea anstrengender, als man es sich hätte träumen lassen und vielleicht hätte es keinen Wert, sich unter Einsatz seines Lebens zu entscheiden, nach Südkorea zu kommen. Jede Gesellschaft hat ihre Probleme, dabei gibt es nur den Unterschied zu beachten, welche persönlichen Empfindlichkeiten man besitzt.

    Der Filmemacher von DANCE TOWN positioniert Jeong-Lim (Mi-Ran Ra), eine ehemalige Tischtennisspielerin, in den Mittelpunkt der Geschichte und nimmt durch die Augen dieser Fremden die südkoreanische Gesellschaft und ihre Bürger wahr. Mit einer kurzen Sequenz zeigt der Filmemacher ihre persönliche Vorgeschichte vor ihrer Flucht; Jeong-Lim lässt sich von ihrem ersten Mann scheiden, nachdem er fremdgegangen ist; sie heiratet ein zweites Mal und führt ein glückliches Leben. Schließlich wird sie jedoch wegen des Besitzes illegaler Pornografie von nordkoreanischen Polizisten gesucht und von ihrem Mann zu ihrer Sicherheit nach Südkorea geschickt. Was diesen Film von anderen unterscheidet ist die Tatsache, dass die Hauptfigur nicht wegen schwereren Lebensproblemen Nordkorea verlassen muss, wie die Hauptfiguren in den Filmen CROSSING und THE JOURNALS OF MUSAN. Im Film CROSSING wird die Familiensituation unter Nahrungsmangel sehr detailliert dargestellt, im Vergleich dazu wird im Film THE JOURNALS OF MUSAN die Vorgeschichte des Hauptdarstellers nicht ganz vorgestellt, aber Seoung-Chol erwähnt kurz den Mord an seinem Freund. Der Filmemacher zeigt damit im Film DANCE TOWN die neue, aber wichtige Feststellung, dass nicht alle nordkoreanischen Flüchtlinge gerne nach Südkorea gekommen sind, um ein neues besseres Leben zu suchen. Es stellt eine neuartige Veränderung in der Filmgeschichte der Konfliktfilme dar. In den bisherigen Filmen wird die wahre Situation Nordkoreas im Vordergrund gezeigt und die Entscheidungen damit gerechtfertigt. Die Hauptdarstellerin in DANCE TOWN hat ihre überstürzte Flucht nach Südkorea nicht gewollt, aus diesem Grund ist das Bestürzen groß, auf Seiten der Hauptfigur wie auch beim Zuschauer. Diese filmische Darstellung lässt dem Zuschauer einen gewissen Abstand und weckt zugleich seine Neugier, wie sie ab dem Moment, in dem sie in Südkorea ankommt, als neue Bürgerin aufgenommen wird. Dabei kreisen einige Menschen um sie herum und beobachten sie näher oder ferner oder werden von ihr beobachtet.

    Die Figurendarstellung im Film DANCE TOWN, ihre Rolle als fremde Beobachterin, unterscheidet sich von der Rolle des Hauptdarstellers im Film THE JOURNALS OF MUSAN, der in der südkoreanischen Gesellschaft überleben wollte. Er wird in THE JOURNALS OF MUSAN als ein fleißiger Bürger mit einem Stigma dargestellt und dabei sein Verhalten zum Überleben fokussiert. Mit ihren Porträtbildern im Film DANCE TOWN werden nicht nur die Hauptdarstellerin Jeong-Lim in Südkorea, sondern auch die Stadt und die anderen Menschen in den jeweiligen Rahmen aufgenommen. Die Bilder und Eindrücke der Stadt werden tragisch und trocken gezeigt.

    Der Filmemacher teilt in DANCE TOWN die südkoreanische Gesellschaft in drei unterschiedliche Beobachtungsdimensionen, nämlich die Darstellung über die Jeong-Lims Mitmenschen, die Empfindung der Südkoreaner über Jeong-Lim und die Empfindung von Jeong-Lim über die Gesellschaft. Die Kamera betrachtet Jeong-Lims Alltag in Südkorea und zugleich ihre Mitmenschen aus ihrem Blickwinkel sowie die Anmerkung der Südkoreaner, wie sie die nordkoreanischen Flüchtlinge einschätzen. Die Menschen mit ihrem trockenen und kalten Blick rauben die letzte Hoffnung auf einen Moment der Wärme. Sie leben in derselben Zeit am selben Ort, dabei richtet der Filmemacher einen kritischen Blick auf die jeweiligen Lebensprobleme der Menschen; der Beamte des Geheimdienstes in Südkorea,28) der sich um Jeong-Lim kümmert, überwacht Jeong-Lim in ihrem Zuhause; sie geht wie gewöhnlich sorgsam ihrer Arbeit nach; er hält einen gewissen Abstand zu Jeong-Lim. Die Schülerin merkt, dass sie schwanger ist und sieht keinen Ausweg. Die anderen nordkoreanischen Flüchtlinge, die in demselben Gebäude wie Jeong-Lim wohnen, wirken harmonisch, wie sie sich gegenseitig unterstützen, tatsächlich streiten sie jedoch miteinander.

    Die wahre Meinung über die nordkoreanischen Flüchtlinge in DANCE TOWN wird durch einen Dialog zweier Polizisten auf der Straße deutlich gemacht, die von der Kamera sehr nah dargestellt werden. Die Polizisten hat in diesem Film eine doppelte Bedeutung; erstens symbolisieren sie den Vertreter der öffentlichen Gewalt, also der Regierung, zweitens sind sie aber auch normale Bürger. Ihre Äußerung über nordkoreanische Flüchtlinge ist aus diesem Grund nur die halbe Wahrheit, die man offiziell aussprechen darf. Sie sehen die Flüchtlinge als Menschen, die in Südkorea ihr Geld verdienen und dieses heimlich an ihre Familien in Nordkorea schicken. Aus diesem Grund lohnt es sich, wenn nur ein Familienmitglied nach Südkorea überläuft, denn er kann damit seine ganze Familie ernähren. Die Polizisten beschweren sich darüber, dass die nordkoreanischen Flüchtlinge nicht nur eine Wohnung, sondern auch finanzielle Unterstützung von der südkoreanischen Staat in Anspruch nehmen, wobei es für sie im Vergleich dazu schwer ist, in ihrem Leben ein Haus zu kaufen. Mit dieser Sequenz zeigt der Filmemacher direkt mit der Stimme der offiziellen und privaten Positionen, wie die Südkoreaner tatsächlich über die neuen Bürger denken. Für Südkoreaner sind sie eine neue finanzielle Belastung, seitdem die Kooperationen zwischen Süd- und Nordkorea im Jahr 2000 angestiegen sind. Um die unbequeme Wahrheit bekannt zu machen, setzt der Filmemacher keine besondere filmische Inszenierungsmethode ein. Er lässt die Polizisten einfach darüber sprechen und bleibt realistisch.

    Jeong-Lims bewundernde und zugleich kritische Bemerkung über Südkorea wird mit ihrer Äußerung in einer Sequenz deutlich: Sie besucht zusammen mit einer anderen Frau, die sie in der Kirche kennen gelernt hat, Bekannte von ihr, arme Leute, eine alte Frau und einen behinderten Mann, sie leben allein. In einem Gespräch äußert sie, dass das Leben in Südkorea im Fernsehen nach Wohlstand aussieht, das gelte aber nur für die oberen sozialen Schichten. Die Menschen aus den niedrigen sozialen Schichten leben in Südkorea genau so wie in Nordkorea. Damit hat sie verdeutlicht, dass für sie Südkorea keine besondere Bedeutung hat und sie eher enttäuscht hat. Nicht nur mit ihren direkten Äußerungen, sondern mit Mimik, Gestik und ihrem konkreten Verhalten, das häufig im Film auftaucht, wird ihre Enttäuschung über die Gesellschaft wirkungsvoll dargestellt. Der Film thematisiert häufig ihre Übelkeit; in den Momenten, in denen sie absolut allein auf der Welt ist, wie bei der Vergewaltigung oder als Jeong-Lim erfahren musste, dass ihr Mann erschossen wurde, zeigt sie die Kamera sich übergeben. Sie stellt sich mit ihrem Körper in ihrem unangenehmen Zustand dar, dass es ihr nicht mehr möglich ist, mit anderem zu kommunizieren. Der Filmemacher verbindet ihre Anmerkung über ihre Existenz mit dem Verhalten des Übergebens.

    Beide Sequenzen enthalten kritische Bilder der dunklen Seite der südkoreanischen Gesellschaft: Der behinderte Mann versucht, sich umzubringen, aber Jeong-Lim rettet sein Leben. Die Kamera beobachtet beide reglos im Zimmer für eine Weile und zeigt das hoffnungslose Gesicht des Mannes sehr eindringlich. Die Hilfslosigkeit der Menschen aus der niedrigen sozialen Schicht, unbedeutend woher sie stammen, wird in dieser Sequenz tiefsinnig und tragisch dargestellt. Die Umarmung der beiden dauert sehr lang und diese Sequenz endet damit, dass sie den Raum verlässt. Jeong-Lim und der Mann sind in dieser Szene durch die Aktivität “Selbstmord” zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, die sich gegenseitig tröstet und zugleich mitleidet.29) Der Filmemacher zeigt mit dieser Sequenz ihre Enttäuschung über Südkorea, er stellt dabei den behinderten Mann in den Mittelpunkt; in der Anschlusssequenz steigert sich ihre Enttäuschung über die Menschen, die südkoreanische Gesellschaft und ihre Hilfslosigkeit durch die Vergewaltigung durch den Polizisten dramatisch. In der nächsten Sequenz befinden sich Jeong-Lim und der Polizist in einer Kneipe; er versucht sich ihr zu nähern und behauptet mit Jeong-Lim befreundet zu sein, sein Annäherungsversuch verfolgt jedoch eine bestimmte Absicht, nämlich sie zu vergewaltigen. Die Kamera begleitet beide, bis sie eine dunkle Sackgasse erreichen. Die stabile Kamera in der Ferne, als objektiver Beobachter, nähert sich den beiden und zeigt, wie er sie vergewaltigt und nimmt entfernt sich wieder. Die Kamera steht nun an einer Seite der Straße und beobachtet beide, die sich im Hintergrund befinden, mit einem fremden Mann im Vordergrund des Bildes. Der fremde Mann, der anfangs nur von hinten zu sehen ist, steht dort teilnahmslos. Dieser Mann, ein Obdachloser, ist wieder zu sehen, als er aus ihrer Handtasche Geld stiehlt und auf die andere Straßenseite verschwindet, als Jeong-Lim nochmal zum Tatort geht, um ihre Tasche zu holen. Die Kamera nimmt sie von vorne auf und diese Sequenz endet damit, dass sie sich übergibt. Für den Polizisten ist Jeong-Lim lediglich ein Gegenstand für seine Gier, auf die er Macht ausüben kann; für den Obdachlosen ist sie nicht mehr als eine Geldbesitzerin. Das illegale Verhalten des Polizisten und die Existenz des fremden Mannes in dieser Sequenz verdeutlicht, dass Jeong-Lim nirgendwo in Südkorea einen Platz finden kann, wo sie Trost findet. In Südkorea ist sie eine Fremde, nicht mehr und nicht weniger.

    3.2.2 Lebensraume in der neuen Heimat als weiteres Gefangnis

    In den Filmen THE JOURNALS OF MUSAN und DANCE TOWN spielt die Stadt als symbolischer Raum eine wichtige Rolle, um die äußere und innere Isolation der Flüchtlinge von der Gesellschaft zu verdeutlichen. Die Stadt bietet zwar die Möglichkeit auf ein neues Leben, es dauerte jedoch nicht lang, bis die Flüchtlinge bemerken, dass auch das kein idealer Ort für sie darstellt. Die Isolation, dass sie nicht zu dieser Stadt gehören, wird mit den verschiedenen Stadtbildern präsentiert. Insbesondere die Stadtbilder mit Hochhäusern im Hintergrund, die von Jeong-Lim in der Ferne betrachtet werden, als sie sich übergibt, nachdem sie von dem Tod ihres Mannes erfahren hat, bedrücken sie schwer und mächtig. Der Abstand zwischen den Hochhäusern in der Fern und ihr ist groß, wie zwischen ihrer aktuellen Situation und der Realität, so dass sie gar nicht in der Lage ist, sie zu bewältigen. Die dunkle Gasse, in der sie vergewaltigt wird, ist für sie der entscheidende Ort, sich von der Gesellschaft abzuwenden und keine Hoffnung für ihr Leben mehr zu schöpfen.

    Der Innenraum, Jeong-Lims Wohnung, ist ein weiterer Ort, sie unter Druck zu setzen. In Begleitung der Kamera wird ihre Wohnung näher beleuchtet: Die übertriebene Sauberkeit der Wohnung, insbesondere in der Küche, und die Betrachtung, dass kaum Alltagsspuren in dieser Wohnung zu sehen sind, sind ungewöhnlich, so dass man sich fragt, ob sie wirklich dort wohnt. Die Wohnung ist für sie äußerlich zwar ein neues Heim, zugleich aber ein tragischer Ort für einen Selbstmord. In der extrem langen Sequenz, in der Jeong-Lim sich in der Wohnung befindet, nachdem sie vom Tod ihres Mannes gehört hat, folgt ihr die Kamera und beobachtet sie. Diese Sequenz ist die erste und letzte, in der die Hauptdarstellerin in ihrer Wohnung näher gezeigt wird und endet mit ihrem Selbstmordversuch. Die Räume in diesem Film sind für sie eine sichtbare Barrikade, sich von der äußeren Welt abzuschirmen und sich zugleich zu isolieren.

    Der Kontrast der Räume ist auch in THE JOURNALS OF MUSAN eindeutig erkennbar. Wohnung, die Kirche und Arbeitsplatz sind die inneren Räumen, Straße und Umgebung der Wohnung sind offen. Seoung-Chol vor einem leeren Hintergrund, in dem abgerissene Häuser und Baustellen zu sehen sind, zeigt effektiv seine aktuelle Situation. Seine gefährliche und unsichere Lebenssituation warnt jeden Moment, dass er abstürzen könnte, wie die zerstörten Häuser ohne menschliche Spur. Eine wesentliche Rolle spielt die evangelische Kirche im Film THE JOURNALS OF MUSAN als soziale Gruppe in Südkorea, um zu zeigen, dass die Kirche der einzige warme Ort in der Gesellschaft ist. Der Filmemacher zeigt recht früh, dass er sich in einer Kirche befindet, bevor man sieht, wer er eigentlich ist. Die Kirche ist für den Hauptdarsteller zuerst der einzige geschützte Raum, in dem er auch zugleich seine heimliche Liebe sehen kann. Die Kirche ist auch der Ort, an dem er seine Identität und seinen Mord in Nordkorea bekannt macht. Suk-Young, die Tochter seines ehemaligen Arbeitsgebers, entschuldigt sich bei ihm, dass sie ihn kündigen ließ und schlägt eine Freundschaft vor. Seoung-Chol nimmt schließlich die Hand von Suk-Young und ist nicht mehr allein in der Kirche, jedoch spricht er kein Wort.

    12)Er hat einige Filme zum Thema Teilung gemacht, zum Beispiel SOUTH OF THE BORDER 2006 und CROSSING 2008 als Regieassistent; dieses Werk ist sein Debut eines langen Films.  13)Vgl. Kang (2011), S. 96.  14)Vgl. Eben da, S. 96.  15)Gedächtnisprotokoll, 16th Busan international Filmfestival, 2011.  16)Vgl. Kang (2011), S. 28.  17)Vgl. Eben da, S. 23-24.  18)Vgl. Kang (2011), S.105.  19)Vgl. Eben da, S. 108.  20)Hwang (2011), S. 251.  2!)In der Tat ist ihre Identität vielfältig und schwer zu definieren, weil sie mit der Wiederholung der Grenzüberläufe immer wieder eine andere Bezeichnung bekommen. Die Menschen, die ihr Heimatland Nordkorea verlassen haben, werden als Feind oder Verräter bezeichnet, im dritten Land sind sie Flüchtlinge oder illegale Staatenlose. Obwohl sie in Südkorea offiziell aufgenommen werden, gehören sie zur niedrigen sozialen Schicht. Vgl. Oh (2012), S. 198.  22)Der Regisseur hat in diesem Film den Hauptdarsteller Seoung-Chol selbst gespielt. Der Hauptfigur Seoung-Chol, der schon gestorben ist, war ein übergelaufener Nordkoreaner und ein Freund von dem Regisseur.  23)Der erste Film MOZART TOWN 2008 von den Townserien beschreibt die trockenen Bilder von Seoul, die Eindrücke von einer ausländischen Klavierprofessorin, die sich zum ersten Mal in Seoul befindet und vor ihrer Lehrzeit einen kurzen Besuch macht. Die Stadtbilder, die mit der Begleitung der.Klaviermusik von Mozart erscheinen, sind nicht schön wie die Musik, eher bilden sie eine unharmonische Kombination, so dass die Darstellungen der Menschen und Stadt noch effektiv tragisch gezeigt werden. Im Film ANIMAL TOWN 2009 folgt er einem Taxifahrer, der als Pädophiler verurteilt wurde, nach seiner Haftentlassung in einem gefesselten und überwachten Alltag. Die Kamera fokussiert auf seine Überlebensversuche und auf das Verhalten der anderen Menschen auf ihn in seiner Umgebung.  24)Der Filmemacher hat für längere Zeit mit Ki-Duk Kim gearbeitet und seine Arbeitsweise in dessen Nähe gelernt. Der Regisseur Ki-Duk Kim ist die wichtigste Person als Filmemacher, die mich am meisten beeinflusst hat.  25)Filmmagazin Cine 21 No. 794, am 16.03.2011.  26)Vgl. Oh (2012), S. 199.  27)Vgl. Kang (2011), S. 19.  28)National Intelligence Service  29)Diese Sequenz lässt an eine ähnliche Sequenz in einem anderen Film erinnern: Eine Sequenz im Film HELLO, STRANGER 2007, in der zwei fremde Menschen, Jin-Wook und Ting-Yeun, ein nordkoreanischer Flüchtling und ein Gastarbeiter aus Vietnam, sich in einem Motel in den Armen liegen und weinen. Sie sprechen in ihrer Muttersprache, verstehen sich jedoch nicht. Zwei Menschen, die durch Sprache nicht kommunizieren und dadurch mit niemandem ihre Problemen teilen können, zeigen die ausweglose Situation der niedrigen sozialen Schicht. Vgl. Hwang (2011), S. 250.

    4. Schluss

    Die südkoreanischen Konfliktfilme seit Ende 2000 haben das Thema der aktuellen Lebenssituation und die damit stark verbundenen Flüchtlingsprobleme aktiv aufgenommen, sie werden immer wieder von nordkoreanischen Filmemachern auf der Basis von wahren Geschichten inszeniert. Durch die Analyse von ausgewählten Filmen werden in dieser Arbeit die Aspektveränderungen auf Nordkorea spürbar: Nordkorea ist zwar nicht mehr mächtig oder gefährlich wie früher, als der Krieg ausbrach. Das Land benötigt vielmehr eine dauerhafte finanzielle Unterstützung. Aus diesem Grund ist es immer noch ein unangenehmer Gegenstand, der nicht nur politische, sondern auch zahlreiche soziale Probleme produziert. Klar ist aber, dass Südkorea von diesen Problemen nicht isoliert betrachtet werden kann. Diese Filme kritisieren nicht nur Nordkorea, sondern auch Südkorea selbst, das von Nordkoreanern als Traumland vorgestellt wird. Durch diese Filme wird verdeutlicht, dass Südkorea auch damit eng verbunden ist, eine passende und gemeinsame Lösung zu finden.

참고문헌
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  • [ <Tabelle 1> ]  Die Zahl der nordkoreanischen Fluchtlinge von 2001 -20106)
    Die Zahl der nordkoreanischen Fluchtlinge von 2001 -20106)
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